Heute traf ich im Hausflur den Miteigentümer aus dem Erdgeschoss – mit seinem schwarzen Pudel, der mit dreifach verstärkten Hundegurt immer etwas wie ein Möchtegern-Kampfhund wirkt. Er Münchner, sein Partner Schweizer. Beide meist in schwarzem Leder. Auf den Eigentümerversammlungen gab es früher immer wieder Diskussionen wegen der Folterkammer, die sie für ihre Sessions mit einem Durchbruch durch den Wohnungsboden im Keller eingerichtet hatten.
Ja, die Gegend hat sich verändert. Die schwule Szene löst sich allmählich auf. Dafür nimmt die Kriminalität rapide zu (sagt er, der sich vor vielen Jahren nicht an den Junkies im Hinterhof gestört hat). Ja, die Hausgemeinschaft hat sich verändert. Das schwule Paar aus dem Nachbarhaus führt sich auf als gehöre ihnen alles allein.
Der Münchner und der Schweizer werden auch verkaufen, in 2-3 Jahren (die Folterkammer ist bestimmt ein USP). Auch er sagt, Berlin ist nicht mehr, was es mal war.
Kategorie: Wohnungsverkauf (Seite 2 von 2)
Und die Küche gibt´s gratis dazu
Faz am Sonntag, 14.05.2023
Na, ja, bei Wohnungen in Neubau-Stadtvillen in Berlin-Weißensee… mich würde auch keine geschenkte Poggenpohl- oder Siematic-Küche nach Weißensee locken. Das mit den individuell gefühlten Immobilienwerten ist jaohnehin seltsam.
Ein Interessent für unsere Wohnung beklagte, dass ja kein Stellplatz für sein Wohnmobil mit dabei sei. Und das bei einem günstigeren Angebot in Reinickendorf der Fall sei. Der Verhandlungsansatz hat mich wenig beeindruckt, ja, dann muss er eben mit seinem Womo nach Reinickendorf ziehen.
Ein anderer argumentierte gleichermaßen mit Köpenick und „Neubau am Wasser“ – ja, wenn er nicht zentral wohnen möchte, ist ein Haus in Köpenick sicher schön. Der Haken war eher, dass er ins Zentrum wollte, seine Frau aber nicht. Vermutlich glaubte er, sie mit einem Schnäppchenpreis umstimmen zu können. Wie ich in den Verkaufsgesprächen überhaupt mit einigen ungeklärten Ehefragen konfrontiert wurde: zweites Kind – er: unbedingt, sie: keinesfalls – , er: vermieten, sie: selbst einziehen.
Insgesamt war deutlich zu erkennen, dass viele Interessenten dachten, wer jetzt verkaufen will, ist in finanzieller Not und nimmt das erstbeste Angebot mit den absurdesten Argumenten an. Das waren wir aber nicht. Wir hatten verschiedene Worst-Case-Szenarien durchgespielt, was wir für die Wohnung bekommen müssen, um mit unserem Hausprojekt weitermachen und es hoffentlich fertigstellen zu können. Und uns war auch klar: Wenn das Geld für das Haus nicht reicht, werden wir die Wohnung behalten und das Hausprojekt endgültig ad acta legen (müssen). Als ich das verinnerlicht hatte, konnte ich auch ganz anders verhandeln und die Schnäppchenjäger eiskalt abblitzen lassen. Die ewige Leier von gestiegenen Bauzinsen, wenig Nachfrage, weiter sinkenden Immobilienpreisen, Behauptungen zu Verkaufspreisen von anderen Wohnungen in der Straße, stoppte ich immer konsequenter. Sehr zugute kam mir dabei eine aktuelle Studie im Handelsblatt, die für unsere Gegend weiter steigende Immobilienpreise prognostizierte.
Selbst in Tagesschau.de hat es diese Nachricht geschafft:
Berliner Opferberatungsstelle registriert zunehmend Angriffe auf Quere Einrichtungen
Tagesschau.de, , 10.05.2023, rbb24.de, 10.05.2023,

Im schwulen Museum in der Lützowstrasse gab es im Februar 2022 einen Angriff mit Schusswaffen. Nachts wurde auf das Museum geschossen. Die Fensterscheiben, der Leuchtschriftzug und ein Kunstwerk zerstört.
Die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee erhielt massive Drohungen als sie Juli 2022 die Regenbogenfahne als Zeichen der Solidarität mit queeren Menschen hisste. Im Artikel nicht erwähnt wurde, dass es sich dabei um die von Seyran Ates gegründete Moschee handelt. Sie selbst stand nach einem Attentat immer wieder unter Polizeischutz, gab ihre Anwaltszulassung vorübergehend zurück – ihre progressiven Vorstellungen vom Islam lösen wieder dieselben Aggressionen bei vermutlich denselben Männercliquen aus.
Es war ein schleichender Prozess, dass ich mich als Frau, als nicht „heteronormative“ Frau, in Berlin nicht mehr wohl und sicher fühlte. Mir immer öfter überlegte, ob ich Astrids Hand nehme oder sie auch mal besser loslasse. Beim Möbelschauen im Stilwerk sind wir schon vor einiger Zeit mit einer Verkäuferin ins Gespräch gekommen. Sie plagten ähnliche Gedanken und sie überlegt mit ihrer Partnerin zurück nach Münster zu gehen.
Unser schwuler Kiez ist nicht mehr wirklich schwul. Das jährliche Fetischevent an Ostern war kein Zeichen internationaler schwuler Präsenz in Berlin, sondern verlief fast unauffällig mit ein paar versprengten Ledertypen. Sicher auch noch die Nachwehen von Corona und den Affenpocken…
Und letztlich hat es auch der Wohnungsverkauf gezeigt: Als Interessenten hauptsächlich Familien und Hetero-Paare, nur ein schwules Paar aus der Nachbarschaft – das sich im Ergebnis leider unsere Wohnung nicht leisten konnte. Dann waren da noch Vater und Sohn aus Moskau, die mich zunächst ungläubig fragten, ob ich denn wirklich „the owner“ sei. Und dann im Hinblick auf „the area“ von einem Kauf Abstand nahmen. Ihnen war es hier wohl immer noch zu „queer“. An sich mögen die Russen ja die Gegend rund ums KaDeWe. Mit den Sanktionen hätte ich da ohnehin kein gutes Gefühl gehabt. Dann war da noch ein bekennendes AfD-Ehepaar, mit denen ich eine interessante inhaltliche Diskussion führte, auch wenn wir am Ende weder geschäftlich noch politisch zusammenkamen. Ich halte Alice Weidel nicht für die beste Politikerin aller Zeiten – das einzig Gute an Weidel ist, dass die AfD ihre Homophobie offiziell im Zaum halten muss, solange die Weidel dort ihren Job macht.

„Was Immobilienbesitzer im Nachhinein bereuen“ laut Umfrage des Finanzdienstleisters Dr. Klein:
- 59% bereuten ihr Vorgehen beim Projekt Eigenheim
- 38% würden alles wieder genauso machen
- für 3/4 war die Entscheidung für eine Immobilie eine Kopfsache, davon waren wiederum 89% mit ihrer Entscheidung zufrieden; 80% der Menschen, die nach Gefühl kauften, waren damit zufrieden.
- 50% haben ihr Eigenheim über einen Makler gekauft; ein Drittel davon bedauert dies; dagegen sind 96% der Menschen, die privat gekauft haben, zufrieden.
- 90% würden im Hinblick auf Lage und Preis alles wieder genauso machen
- 80% im Hinblick auf die Größe
- 93% würden ihre Immobilie noch einmal kaufen
Unsere Berliner Wohnung würde ich auch jederzeit wieder kaufen! Und ich würde auch in jedem Fall wieder ohne Makler kaufen oder verkaufen.
Und ja, ich habe auch noch nicht unser Hausbauprojekt bereut und würde es wieder genau so machen,
Heute smst mich der Nachbar von oben an. Er habe gehört, dass wir tatsächlich einen Käufer finden können. Und wie viel wir denn für unsere Wohnung bekommen hätten. Andreas hat sich letztes Jahr von seiner Frau getrennt und sie ist in der Wohnung geblieben. Sie wird ihn nicht auszahlen können… und hier auch keine vergleichbare Mietwohnung finden… ich wünsche ihr sehr, dass sie eine gute Lösung finden.
Als Francesco & Lorenzo ihre Wohnung verkauft haben, ging ein grosses, fast neidisches aufgeregtes Staunen durch die Hausgemeinschaft – wie unglaublich teuer sie ihre Wohnung verkauft hätten. Auch als der Nachbarn unter uns verkaufte. Ich fand das damals schon sehr strange. Viele hier haben mehrere Wohnungen, kauften zu Superschnäppchenpreisen in den 1990ern und könnten jederzeit auch verkaufen. Das Gute ist: Wir sind jetzt dann ja bald weg und bekommen was uns betrifft nicht mehr mit.
Jetzt gibt es definitiv kein Zurück mehr. Der Kaufpreis der Wohnung ist auf meinem Konto eingegangen. Eine so hohe Zahl ist meinem Konto bisher nicht begegnet. Und lange wird die Begegnung leider auch nicht andauern…
Heute hat der Notar mitgeteilt, dass alle Voraussetzung für die Zahlung des Kaufpreises erfüllt sind. Es ging alles sehr schnell. Die Bank hat schnell gerechnet. Die Hausverwaltung sofort dem Verkauf zugestimmt. Und das Grundbuchamt blitzschnell die Vormerkung eingetragen. Und Irina hat gleich mit den Überweisungen begonnen…

Die Vormerkung für unsere Käuferin ist eingetragen. Ein weiterer Schritt. Ein Zurück gibt es nicht.

24.04.2023