Es nieselt morgens, eigentlich war doch die neue Hitzewelle angekündigt. Dachte ich.

Auf der Baustelle hier gegenüber ging die Arbeit um 8 los. Heute leises Werkeln ohne Musik. Wenn die Arbeit laut wird, wird die Musik noch lauter. Der Bass geht mir dann durch und durch. Techno ist eine Plage. Noch schlimmer als der Heavy Metal-Sender, den mein Fahrlehrer hörte. Ich hoffe für unsere Nachbarn, der Musikgeschmack unserer Bauarbeiter ist erträglicher.

Die ING schickt eine Mail, diesmal an Astrid. Jetzt wird deutlich worauf die ING hinaus möchte. Wir sollen nun zuerst unser Eigenkapital einsetzen. Davon war bisher nie die Rede (auch wenn ich es aus Sicht der ING durchaus nachvollziehen kann). Mitten im Projekt ist das ein günstiger Zeitpunkt für die ING, sich darauf zu beziehen. Wir zahlen dann erstmal für ein Jahr weiter Zinsen samt Bereitstellungszinsen und da wir das Darlehen nicht vollständig abrufen dürfen, können wir auch nicht mit der Rückzahlung beginnen. Die (Bereitstellungs-)Zinszahlungen summieren sich…. Die ING sieht das anders: „So reduzieren Sie auch Ihre Kosten während der Bauphase.“ Wir werden überlegen wie wir damit umgehen.

Immer wieder denke ich an Mandanten, die ich lange begleitet habe. Vielleicht leben sie gar nicht mehr. Letztlich sind sie ganz gut aus einem windigen Bankgeschäft rausgekommen. Ein Ehepaar aus Ostberlin, gerade im Rentenalter, beide amtlich als „intelligenzgemindert“ eingestuft. Er war vielleicht nur unvorstellbar schüchtern und sie hatte wahrscheinlich nie eine Chance. Sie war durchaus pfiffig und hatte in der Ehe die Führung übernommen. Die beiden bekamen von der Citi-Bank einen Kredit für einen Wohnwagen. Beide haben sich damit einen Lebenstraum verwirklicht. Es war von Anfang offensichtlich, dass sie mit der „Rente mit HartzIV-Aufstockung“ nie die 10.000 EUR zurückzahlen werden können. Irgendwann waren die Schulden trotz monatlicher Zahlungen weit höher als die ursprüngliche Kreditsumme. Die Citi-Bank wurde wegen dieses Geschäftsmodell in den Medien schon zerrissen. Sie machte aber trotzdem Druck auf mein Ehepaar, stellte den gesamten Betrag fällig. Ich kann mich nicht mehr an die Details erinnern, doch irgendwie waren sie nach einigem anwaltlichem Briefwechsel bereit, eine monatliche Rückzahlungssumme von 10.- EUR zu akzeptieren. Die zwei behielten ihren Wohnwagen, mussten weder vor Gericht streiten noch Verbraucherinsolvenz anmelden. Die Frau konnte irgendwann trotz eines Herzinfarkts auch wieder an den Tanzabenden der Campinggemeinde teilnehmen. Er traute sich aber bis zuletzt nicht, auch nur ein Wort in meiner Gegenwart zu sprechen oder mir Post in den Briefkasten zu werfen, wenn ich am Kanzleifenster stand.

Am Nachmittag haben wir den Kran und die Fortschritte vor Ort bestaunt. Die Arbeiter waren heute gar nicht da – so unser Nachbar.

Unser Rohbauer hat nun seine Schilder aufgestellt.
Die Maße unseres Krans
Wem wohl die Regenbogenfahne gehört und warum sie da hängt?
Blick über die Baustelle
An der neongelben Markierung an dem Balken vermute ich mein Arbeitszimmer.
Die Bauarbeiter haben eine Leiter. Wir müssen immer das Möuerchen hochklettern – und wir dürfen auch bei den Nachbarn übers Grundstück.